Gemeinsam einsam – immer mehr Menschen in Deutschland verspüren Einsamkeit. Langfristig ein Risiko für die Gesundheit!

Einsamkeit Illustration

Es fühlt sich an wie eine Schwere. Ein Gewicht was mich runter zieht und mir gleichzeitig die Brust zuschnürt.“

„Ein Gefühl der Melancholie, Traurigkeit, Unlust und Ohnmacht.“

„Es fühlt sich an als hätte ich Hunger, aber mir fehlt das richtige Nahrungsmittel, um diesen Hunger zu stillen.“

Mit diesen Worten beschreiben Menschen das Gefühl von Einsamkeit. Starke, negative Gefühle, die sie übermannen. Und damit sind sie nicht allein: Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich einsam. Einsamkeit ist nicht nur ein unangenehmes Gefühl, es kann unter Umständen sogar gesundheitsbedrohlich werden. Das Gefühl der Einsamkeit kann die Lebenserwartung ähnlich stark senken wie Rauchen. Verglichen mit den Auswirkungen von Bewegungsmangel oder Übergewicht birgt Einsamkeit sogar das größere Gesundheitsrisiko. Das zeigt deutlich, welch eine Gefahr von negativen Gefühlen wie Einsamkeit ausgeht. Klar ist: Wer sich oft einsam fühlt, kann langfristig krank werden.  

Was ist Einsamkeit?

Von Einsamkeit ist dann die Rede, wenn unsere sozialen Beziehungen nicht unseren persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Das kann einerseits durch die fehlende Anzahl (Quantität) der Kontakte, andererseits durch die fehlende Tiefe und Bedeutung (Qualität) der Bindungen, verursacht werden. Es handelt sich also um ein sehr subjektives Gefühl, weshalb jeder betroffen sein kann: Egal ob alt, jung, alleinlebend oder in einer Partnerschaft. 
Die Corona-Pandemie hat die Demografie der betroffenen Menschen verändert. Zuvor war die Prävalenz bei Menschen über 75 Jahren am höchsten, gefolgt von Personen zwischen 30 und 45 Jahren sowie den unter 30-Jährigen. Während Corona ist die Prävalenz in den jüngeren Generationen deutlich gestiegen.
 

Wichtig zu verstehen: Einsamkeit ist nicht das Gleiche wie soziale Isolation und nicht das gleiche wie alleine sein.

Abgrenzung Einsamkeit – soziale Isolation

Soziale Isolation bedeutet wenig bis keine sozialen Kontakte zu pflegen. Das kann sowohl freiwillig als auch unfreiwillig passieren. In der Psychologie wird unter sozialem Rückzug ein bestimmtes Verhaltensmuster verstanden. Dabei reduziert der Mensch seine Kontakte nach außen und konzentriert sich verstärkt auf sich selbst und sein inneres Erleben.

Gründe für sozialen Rückzug sind z. B. stressige Lebensphasen, Trauer, Konflikte, Verlust und belastende Lebensereignisse. Außerdem können mangelnde Ruhe und Entspannung dafür sorgen, dass wir das Bedürfnis haben, die „Pausetaste“ zu drücken. Abschottung zur Selbstfürsorge ist die Folge, um die Akkus wieder aufzuladen. Auf freiwilliger Basis kann soziale Isolation also durchaus gesundheitsfördernd sein und zu positiven Ergebnissen führen. Manchmal tut es einfach gut, alleine zu sein, den Trubel, die Hektik und die ständige Erreichbarkeit fernzuhalten und die Energiespeicher wieder aufzuladen. Unfreiwillige soziale Isolation hingegen kann langfristig zu Einsamkeit und negativen Gefühlen führen. Einsamkeit und (unfreiwillige) soziale Isolation sind somit zwar nicht identisch, stehen aber in einer Wechselbeziehung zueinander.

Deshalb fühlen wir uns einsam:

Die Gründe für Einsamkeit können vielfältig sein. In erster Linie sind sie jedoch sehr subjektiv. Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse und Wünsche, weshalb auch die Gründe, wieso wir uns einsam fühlen, stark von der eigenen Persönlichkeit abhängen. Zudem können einschneidende Erlebnisse bzw. der individuelle Umgang damit ausschlaggeben sein.


Mögliche Gründe können sein:

  • Freiwillige oder unfreiwillige soziale Isolation
  • Wenige soziale Kontakte
  • Schlechter oder fehlender Kontakt zur Familie
  • Oberflächliche soziale Beziehungen bzw. Freundschaften mit wenig Tiefe
  • Wendepunkte im Leben wie Jobwechsel, Eintritt in die Rente, Umzug oder Beginn eines Studiums
  • Schicksalsschläge wie Trennung, Krankheit, Tod von Angehörigen
  • Fehlende Mittel oder Ressourcen
  • Anhaltender Stress und Überforderung

Das passiert mit uns, wenn wir einsam sind:

Einsamkeit ist vor allem eines: sozialer Stress – in einer Form, die unsere Gesundheit belastet. Es kann als Signal verstanden werden (ähnlich wie Hunger), welches uns zeigt, dass wir uns um unsere Bedürfnisse kümmern sollen. Statt etwas zu essen, geht es darum, soziale Interaktionen aufzunehmen. Dieses Bedürfnis ist tief in uns verankert: Vor Millionen von Jahren entwickelte der Mensch das Verlangen nach Gemeinschaft und Interaktion. Damals waren soziale Kontakte überlebensnotwendig. Ohne Unterstützung war es kaum möglich, genügend Nahrung, Sicherheit, Wärme und Fürsorge für den Nachwuchs aufzubringen.
 
Kann dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit nicht gestillt werden, werden ähnliche Hirnregionen aktiv wie bei körperlichem Schmerzen. Eine Antwort der Evolution auf Zurückweisung. Unser Körper teilt uns mit, dass wir eine lebensbedrohliche Situation erleben. Zudem wird während einer Phase der Einsamkeit vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet sowie die Herzfrequenz erhöht. Dies hat negative Auswirkungen auf die mentale und die körperliche Gesundheit. 
Einsamkeit und Krankheiten gehen Hand in Hand. Der Verlauf einer Krankheit kann durch Einsamkeit negativ beeinflusst werden. Andersrum können Krankheiten der Grund für Isolation sein. Für die Genesung psychischer und physischer Probleme können soziale Kontakte sehr unterstützend sein.

Der dunkle Schatten der modernen Gesellschaft

Nun leben wir heutzutage nicht mehr in einer Welt, in der wir täglich um unser Überleben kämpfen müssen. Viele gesellschaftliche Entwicklungen stellen das Individuum in den Vordergrund. Man braucht keine Gruppe mehr, um überleben zu können. Vor allem im digitalen Zeitalter spielen Smartphones, Social Media und auch Stress bzw. Zeitmangel hinsichtlich Einsamkeit eine große Rolle. Unsere täglichen Aufgaben und Verpflichtungen nehmen unsere Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch. Statt uns nach einem vollen Tag mit Freunden zu verabreden, verbringen wir den Abend vor dem Fernseher, im Internet oder in den sozialen Medien. Unser Körper und unser Geist haben sich jedoch kaum verändert. Biologisch betrachtet sind wir immer noch auf Gemeinschaft gepolt.

Das Problem: Einsamkeit löst genauso viel Stress aus wie ein Faustschlag in einer Prügelei. Eine ernstzunehmende Bedrohung und Belastung für unser Stressempfinden und somit langfristig schädlich für unsere Gesundheit.

Manche Personengruppen sind mehr von Einsamkeit betroffen als andere. Dazu zählen:

  • Alleinlebende
  • Menschen im Homeoffice oder Selbstständige
  • Nicht Erwerbstätige
  • Menschen ab 75 und Anfang 30
  • Personen mit niedriger Bildung und geringem Einkommen
  • Alleinerziehende

Einsam aber nicht allein

Traurig aber wahr: Mit dem Gefühl der Einsamkeit ist man nicht alleine.
Denn immer mehr Menschen fühlen sich einsam. Unterschiedliche Entwicklungen in unserer Gesellschaft tragen dazu bei, dass es immer mehr Menschen so geht. Im Jahr 2019, noch bevor die Corona Pandemie Deutschland erreichte, gaben 29 % der Männer und 31 % der Frauen an, manchmal einsam zu sein. 14 % (m) bzw. 19 % (w) sprachen sogar davon, häufig oder ständig einsam zu sein!
 
Im März 2020 erreichte die Pandemie dann Deutschland. Die Zahl an Menschen, die sich einsam fühlen, ist deutlich angestiegen. Quarantäne, Lockdown, geschlossene Kultur- und Sportstätten… in einer Umfrage gaben etwa ein Drittel der Befragten an, sich seit der Corona-Pandemie noch häufiger einsam zu fühlen als früher – eine besorgniserregende Entwicklung! Während der Hochzeiten der Pandemie waren es vor allem die jüngeren Menschen, die vermehrt unter Einsamkeit litten, da deren Sozialleben häufiger außerhalb des eigenen Haushalts stattfindet. Auch Paare mit Kindern und Frauen haben sich in dieser Zeit als Risikogruppen hervorgetan.

Ich fühle mich einsam – was nun?

Wenn Sie oder Personen in Ihrem Umfeld von Einsamkeit betroffen sind, gibt es einige Maßnahmen, die sie selbst umsetzen können. Im Folgenden finden Sie fünf Tipps, die Ihnen sowohl präventiv als auch akut bei dem Gefühl von Einsamkeit helfen können.

1. Achtsamkeit

Kleine Achtsamkeitsübungen im Alltag, Achtsamkeitsmeditationen oder ein Achtsamkeitskalender: Praktiken dieser Art können Ihnen helfen, Ihre Stressresistenz zu stärken sowie Sorgen und Druck zu lindern. Sie können Abstand und Objektivität gegenüber schwierigen Situationen gewinnen und Ihr Selbstwertgefühl steigern. Zudem lernen Sie, sich über Ihre Gefühle bewusst zu werden und achtsam darauf zu reagieren. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Achtsamkeit zur Steigerung des Wohlbefindens beiträgt.

2. Sport

Wie so oft: Sport und Bewegung können hilfreiche Methoden sein, mit Einsamkeit umzugehen. Bei körperlicher Aktivität werden Glückshormone ausgeschüttet sowie das Selbstbewusstsein bzw. die positive Selbstwahrnehmung gesteigert. Außerdem bieten sich Sportvereine bzw. -gruppen oder Fitnessstudios hervorragend dafür an, neuen Anschluss zu finden.

3. Ehrlichkeit und Offenheit

Sein Sie ehrlich – zu sich selbst und zu anderen. Machen Sie sich Ihrer Gefühle bewusst. Sobald Sie das Gefühl oder das aktuelle Problem benennen können, ist es leichter, den Weg raus zu finden. Sprechen Sie auch mit Freunden, Bekannten oder einer professionellen Beratung. Es kann entlastend sein, das Gefühl von Einsamkeit anderen Menschen mitzuteilen. Das hilft, Belastungen zu reflektieren, Verhaltensmuster zu verstehen und ist bereits der erste Schritt aus der Einsamkeit heraus. Ihre Freunde und Familie werden die Offenheit schätzen!

4. Aktivitäten mit Gleichgesinnten

Sie haben schon immer gerne Sport gemacht? Melden Sie sich in einem Fitnessstudio an. Sie machen unheimlich gerne Musik? Gehen Sie zu einem Chor/einer Musikgruppe in Ihrer Nähe. Sie interessieren sich für Kunst? Besuchen Sie Ausstellungen oder organisierte Malabende! Egal, was Sie gerne tun, finden Sie Aktivitäten in Ihrer Nähe mit Gleichgesinnten. Dort wird es Ihnen leichter fallen, neue Kontakte zu knüpfen. Und ganz nebenbei gehen Sie einem Ihrer Hobbies nach, das Ihnen Spaß macht. Win Win!

5. Kontakt zu alten Freunden und Bekannten

Wer hat mir früher gutgetan? Mit wem habe ich Zeit verbracht? Erinnern Sie sich an Aktivitäten, Erlebnisse und frühere Hobbys, die Ihnen in der Vergangenheit Freude bereitet haben. Beginnen Sie mit kleinen Schritten. Telefonieren sie mit Freunden oder melden Sie sich zunächst mit einer Textnachricht. Das nächste Mal vielleicht ein Kaffee oder Spaziergang? Das nimmt den Druck raus.

Gemeinsam einsam – Hilfe bei Einsamkeit

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat eine Strategie gegen Einsamkeit erarbeitet. Ziel ist es, betroffene Menschen zu erreichen, über Einsamkeit zu informieren und mit entsprechender Unterstützung dagegen vorzugehen.

Die Website des BMFSFJ hält dazu weitere Informationen bereit. 

BMFSFJ Einsamkeit am Tisch

 

Einsamkeit ist ein ernstzunehmendes Thema. Sollten Sie selbst oder jemand in Ihrem Umfeld betroffen sein, könne Sie sich u. a. an folgende Nummer wenden:

TelefonSeelsorge: 
Für alle Generationen
Tel.: 0800 111 0 111

NummergegenKummer
Für Kinder und Jugendliche
Tel.: 116 111
nummergegenkummer.de/onlineberatung
Für Eltern
Tel.: 0800 1110 550

Silbernetz
Für ältere Menschen
Tel.: 0800 4 70 80 90
silbernetz.de

 

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