Klimakrise, Umweltverschmutzung und die daraus folgenden Konsequenzen – unser Planet befindet sich in keinem guten Zustand und die Auswirkungen haben einen erheblichen Einfluss auf uns Menschen. So wird es auch immer relevanter, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen auf nachhaltige Lebensweisen umzustellen – auch in der Ernährung. Genau hier setzt das Konzept “Planetary Health” an. Es beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Ernährungsverhalten und unserer Umwelt.
Eine Expertin auf diesem Feld ist „Satt&gut“ Ladeninhaberin Sabine Köhl vom Münchner Viktualienmarkt. Sie erklärt in einem Interview, wie gesunde und nachhaltige Ernährung aus der Region aussehen kann.
Planetary Health – Das steckt dahinter!
Das Forschungsfeld „Planetary Health“ befasst sich mit dem Schnittpunkt von planetarer und menschlicher Gesundheit und damit, welche Lösungsstrategien es gibt, um beide gleichermaßen zu wahren. Planetary Health ist damit ein recht weites, multidisziplinäres Forschungsfeld, dass sich aus verschiedensten Fachgebieten, wie Gesundheits-, Umwelt-, Sozial- und Biowissenschaften sowie Medizin und auch Public Health zusammensetzt.
Ein Kerngebiet der Forschung konzentriert sich auf das weltweite Ernährungssystem, da viele planetare Probleme auf die Industrien der Lebensmittelproduktion zurückzuführen sind: Die Überfischung der Meere, der übermäßiger Wasserverbrauch durch industrielle Landwirtschaft oder auch die Luft- und Bodenverschmutzungen durch große Mengen an Pestiziden oder chemischen Düngemitteln. Der Handlungsbedarf und das Verbesserungspotenzial sind hoch! Gleichermaßen haben negative klimatische Entwicklungen Einfluss auf unser Ernährungsverhalten. Beispielsweise kommt es durch Überflutungen, Dürre oder das Bienensterben zu Ausfällen in der Ernte und damit zu Ernährungsengpässen.
Die gute Nachricht: Es gibt unzählige Möglichkeiten, bewusster und nachhaltiger zu leben und mit der eigenen Herangehensweise an Ernährung einen Unterschied zu machen. Ein Vorschlag hierfür bietet die sogenannte “Planetary Health Diet”.
Die Planetary Health Diet
Die Planetary Health Diet ist – anders als der Name es vielleicht vermuten lässt – keine Diät im klassischen Sinne, um etwa Gewicht zu verlieren. Man versteht darunter viel mehr eine umweltbewusste Ernährungsform, bei der darauf geachtet wird, sich gesund, nachhaltig und ökologisch zu ernähren und der Umwelt (und sich selbst!) so wenig wie möglich zu schaden. Das Konzept ist relativ neu und wurde erstmals 2019 von der EAT – Lancet Commission, einer internationalen Non-Profit Organisation, die an planetarer Gesundheit und Ernährung forscht, vorgestellt. Ziel war es eine Antwort auf die Fragestellung zu finden, wie es möglich ist, bis zum Jahr 2050 eine Weltbevölkerung von bis dahin zehn Milliarden Menschen, nachhaltig versorgen zu können. Dafür muss man jedoch zunächst verstehen, inwiefern die Ernährungsindustrie überhaupt einen negativen Einfluss auf die Erde nimmt.
Die Auswirkungen des Treibhausgaseffekts
Durch die wachsende Weltbevölkerung steigt der Bedarf an Lebensmitteln. Aktuell ist die Lebensmittelproduktion für ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Diese wirken sich negativ auf unsere Umwelt aus und beschleunigen die Erderwärmung. Kurz gesagt, sind Treibhausgase (insbesondere Wasserdampf und Kohlendioxid) dafür verantwortlich, die Wärme, die von der Sonne auf die Erde abgegeben wird, zu absorbieren, sodass die Erde eine Durchschnittstemperatur von 15 Grad Celsius halten kann. Menschengemacht Industrien verursachen jedoch einen erhöhten Ausstoß dieser Gase, sodass der Effekt verstärkt wird und sich die Erde immer weiter erhitzt. Vorherrschend problematisch ist die Fleischindustrie, die einen doppelt so hohen Ausstoß wie die Produktion pflanzlicher Lebensmittel aufweist. Gerade bei Wiederkäuern wird durch Fermentation (ein mikrobiologischer Prozess des Verdauungssystems) das Spurengas Methan frei, das als Treibhausgas einen negativen Effekt hat. Rinder und Schafe haben dabei mit 96 % den größten Methanausstoß und sollten laut der Planetary Health Diet deshalb nur in sehr geringen Mengen konsumiert werden.
So gelingt die Planetary Health Diet
Allgemein gilt: die Planetary Health Diet versucht möglichst viele pflanzliche Nahrungsmittel aufzuzeigen und tierische hingegen zu verringern. Trotzdem sind Fleisch und Milch nicht komplett vom Speiseplan gestrichen. Rind-, Lamm-, oder Schweinefleisch sollten dabei auf durchschnittlich 14 Gramm pro Tag reduziert werden, Geflügel beispielsweise auf 29 Gramm, Eier auf 13 Gramm und Fisch auf 28 Gramm. Wiederum ganz oben auf dem Speiseplan: Obst und Gemüse! Die Richtwerte dafür lauten 200 und 300 Gramm täglich, erlauben aber definitiv Spielraum nach oben. Ebenso ein wichtiger Bestandteil der Planetary Health Diet sind Hülsenfrüchte. Als optimale Proteinquellen (gerade alternativ zu tierischem Eiweiß) stellen Linsen, Bohnen, Erbsen, Erdnüsse etc. einen wesentlichen Bestandteil dieses Ernährungskonzepts dar. Wie diese Lebensmittel auf unseren Teller finden und wir dabei auch noch die Umwelt schonen, darüber haben wir uns mit einer Expertin unterhalten.
Regionale Hülsenfrüchte Ein Interview mit satt&gut Ladeninhaberin Sabine Köhl
Um einen klimagerechten „Ernährungslifestyle“ zu verfolgen, spielt auch der Aspekt der Regionalität eine große Rolle. Lebensmittel sollten nicht um die halbe Welt reisen und damit für hohe Transportemissionen sorgen, nur um bei uns auf dem Teller zu landen. Doch eine Ernährungsweise, die mit der Planetary Health Diet konform ist und damit viele Hülsenfrüchte (am besten aus Region) beinhaltet, klingt zunächst gar nicht so einfach.
Sabine Köhl, Besitzerin des Ladens „satt&gut“ vom Münchner Viktualienmarkt, verkauft regionale Grundnahrungsmittel, erzählt uns von ihrem Geschäft und erklärt, wie sie dieses Zusammenspiel möglich macht.
Wie ist satt & gut entstanden? Wie kamen Sie auf die Idee, zwischen all den Metzgern am Viktualienmarkt regionale Hülsenfrüchte anzubieten? Was war Ihre Vision?
Die Idee entstand durch meine frühere Tätigkeit an einem anderen Stand auf dem Markt, wo ich als Aushilfe gearbeitet habe und mindestens einmal am Tag nach Linsen gefragt wurde. Die gab es bislang hier nicht. Gleichzeitig habe ich von regionalem Linsenanbau gelesen und so ist die Idee für „Regionale Grundnahrungsmittel“ entstanden. Dass ich zwischen den Metzgern gelandet bin, ist eigentlich Zufall. Das war einfach der Laden, der perfekt zu meiner Idee gepasst hat und der damals ausgeschrieben war. Aber ich fühle mich hier sehr wohl und habe auch ein gutes Miteinander mit meinen Nachbarn!
Was erwartet einen, wenn man bei Ihnen im satt & gut am Viktualienmarkt einkauft?
Bei mir gibt es Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Kichererbsen und Soja; Getreideprodukte wie Mehl, Grieß, Graupen, Perlgetreide, Nudeln, davon viel aus Urgetreidesorten wie Emmer, Einkorn und Dinkel. Außerdem Pseudogetreide wie Hirse, Buchweizen, Quinoa; Kerne und Saaten wie Chia-Samen, Kürbiskerne, Hanfsamen oder Schwarzkümmel, außerdem einige „Fertiggerichte“ aus diesen Zutaten wie Tofu, Falafel-Mix, Müsli, Buchweizen-Knuspertaler, Backmischungen für Brot und Kuchen, Urkornrisotto und ähnliches. Und das alles aus regionalem Anbau, heißt vorwiegend aus Bayern, ein bisschen was aus der schwäbischen Alb und ein ganz kleiner Teil aus Österreich.
Was sind Ihre Top 3 Ratschläge für eine nachhaltige und regionale Ernährung?
Viel weniger Fleisch, deutlich mehr Hülsenfrüchte, außerdem Pseudo-Getreide wie Buchweizen, Mais, Hirse oder Quinoa. Das ist gesund, macht satt und zufrieden, bietet eine wahnsinnige Vielfalt in der Zubereitung und ist lecker. Polenta zum Beispiel ist eine ganz fantastische Alternative zu Knödel oder Nudeln zum Gulasch!
Bei der „Planetary Health Diet“ wird die Empfehlung ausgesprochen, die Proteinquellen hauptsächlich aus Hülsenfrüchten zu beziehen, um die gesundheitlichen und ökologischen Folgen von dem momentan sehr hohen Fleischkonsum zu verringern. Sie schreiben auf Ihrer Website, dass gute Lebensmittel keine Weltreise machen müssen. Wie einfach (/schwierig) ist es, Hülsenfrüchte aus der Region zu essen?
Bei uns in Bayern werden sowohl Linsen, Bohnen als auch Kichererbsen angebaut. Allerdings noch nicht im großen Stil, weil der Anbau nicht ganz trivial ist und noch nicht so wahnsinnig viele Landwirte hier umgestiegen sind. Insofern ist es je nach Gegend/Umfeld mitunter vielleicht schwierig, Hülsenfrüchte aus regionalem Anbau zu beziehen. Aber möglich ist es, wenn man die Augen offen hält oder zum Beispiel im Bioladen explizit danach fragt. Und online natürlich…
Was für Lebensmittel gibt es hier in der Region? In Bayern?
Mittlerweile fast alles. In Franken gibt es sogar ein Projekt, bei dem tropische Früchte in Gewächshäusern angebaut werden. Ob das nachhaltig im großen Stil funktioniert, sei dahingestellt. Wer Wert auf Regionalität liegt, muss vielleicht ein bisschen recherchieren, aber fündig wird man, und sei es mit schmackhaften Alternativen. Und sinnvollerweise richtet man sich ein bisschen nach dem Saisonkalender: Erdbeeren kommen jetzt aus Bayern, im Dezember natürlich nicht.
Über welche Lebensmittel sind die Menschen oftmals überrascht, dass es diese auch regional zu kaufen gibt?
Am meisten überraschen natürlich Produkte, die neuerdings erst bei uns angebaut werden, einfach weil Landwirte sich gedacht haben „Probieren wir‘s doch mal aus.“ Dazu zählen zum Beispiel Chia-Samen, Quinoa und Kichererbsen. Oder bayrischer Tofu.
Was sehen Sie als Ihren Beitrag als Inhaberin von satt & gut sowie ganz persönlich zur planetaren Gesundheit?
Zeigen, dass eine fleischlose Kost nicht langweilig ist, dass es wahnsinnig viele tolle Produkte und Rezepte gibt, ohne das vegane Schnitzel bemühen zu müssen und das ganz viel bei uns vor der Haustür wächst und eben nicht durch die halbe Welt geflogen werden muss. Die meisten meiner Kund*innen sind keine Veganer, sondern einfach Menschen, die in erster Linie lecker essen wollen und dabei Wert auf ihre Gesundheit und ihre Umwelt legen.
Haben Sie ein persönliches Lieblingsprodukt aus Ihrem Laden?
Ich kenne und verarbeite fast jedes Produkt, sowohl hier für den Imbiss als auch privat, deshalb fällt mir die Antwort schwer. Ich liebe die grüne Linse von der schwäbischen Alb und ich schätze die heimischen Sojasaucen und Misos sehr, die sind einfach toll für den letzten Kick bei fast jedem Gericht. Und ich mache mir fast jeden Morgen ein wunderbares Bircher-Müsli aus Buchweizengrütze!
Haben Sie noch etwas, das Sie uns mitgeben wollen?
Ich kann nur empfehlen, sich auch an unbekannte, heimische Sachen (wieder) ranzuwagen. Da gibt es viel zu entdecken und zu experimentieren. Grünkern zählt zum Beispiel dazu: Eine ganz fantastische Zutat sowohl als Beilage als auch als Basis für Salate und Suppen.
Herzlichen Dank Frau Köhl für diese Einblicke!
I-gb Fazit
Bringt man die notwendige Bereitschaft mit, kann man über die eigenen Ernährungsgewohnheiten, ohne großen Aufwand, zweifelsfrei einen positiven Beitrag zu einer gesünderen Umwelt leisten – und fördert dabei auch noch die persönliche Gesundheit. Indem man mehr auf den eigenen Obst- und Gemüse Konsum achtet und sich ein wenig mit pflanzlichen Eiweißquellen befasst, wird schnell klar: Gesunde, nachhaltige und regionale Ernährung kann sehr vielseitig und variabel sein und gleichzeitig einen neuen Blickwinkel auf den eigenen Konsum aufzeigen.